30.03.2023 - 3 Änderungen zur Tagesordnung

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Wortprotokoll

Herr von der Wense verliest die Tagesordnung und informiert zu TOP 17.

Vom Stadtvertreter Herr Ralf Milbredt wurde mir als Einzelantrag eine "Resolution" mit der Bitte um Aufnahme in die Tagesordnung dieser Sitzung der Stadtvertretung Neustrelitz zugeleitet.

Als Stadtpräsident habe ich nach § 29 Abs. 1 Satz 3 KV-MV eine Angelegenheit auf die Tagesordnung zu setzen, wenn es ein Stadtvertreter/eine Stadtvertreterin beantragt.

Dieses gilt selbst dann, wenn der Tagesordnungspunkt selbst nicht in die Zuständigkeit der Stadtvertretung fällt.

Es ist dann Aufgabe der Stadtvertretung im Fall fehlender Zuständigkeit die Behandlung des TOP abzulehnen.

Von der Rechts- und Kommunalaufsicht des LK MSE wurde mir ein Infobrief des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zugeleitet. Dieser hatte sich in der Vergangenheit schon mit der Frage der Befassungs- und Beschlusskompetenz der Kommunalvertretungen z. B. im Hinblick auf internationale Freihandelsabkommen befasst. Die dort angesprochene Rechtsfrage ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen.

Den Infobrief hierzu habe ich den Fraktionen zukommen lassen.

 

Ich zitiere hieraus:

Das kommunale Selbstverwaltungsrecht des Grundgesetzes gestattet danach die Befassung der Gemeinden mit einem bestimmten Sachgebiet nur dann, wenn dieses zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gehört (Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 GG).5 Diese

hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Rastede-Beschluss von 1988 definiert als „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen“.

Sämtliche Maßnahmen der Gemeinde müssen sich in dem so abgesteckten Rahmen halten. Sie müssen daher einen spezifischen örtlichen Bezug haben. Der Gemeinde kommt keine Kompetenz zur Befassung mit allgemeinpolitischen Angelegenheiten zu. Maßnahmen, die über den bezeichneten Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinausgehen, sind rechtswidrig, da es an der gemeindlichen Zuständigkeit fehlt.

Das Erfordernis einer Rechtsgrundlage gilt auch für symbolische Entschließungen sowie für die bloße Befassung (z.B. Befassung mit einer Atomwaffenstationierung in Deutschland und Erklärung des Gemeindegebiets zur „atomwaffenfreien Zone"). Auch appellative Stellungnahmen des Gemeinderates müssen daher „in spezifischer Weise ortsbezogen“ sein, da anderenfalls keine Rechtsgrundlage besteht.

Bei überörtlichen Angelegenheiten kann ein spezifischer Ortsbezug dann anzunehmen sein, wenn diese sich gerade und in besonderer, also sich von anderen Gemeinden unterscheidender Weise auf die fragliche Gemeinde auswirken. Äußerungen, die den Charakter allgemeinpolitischer Stellungnahmen haben oder den Anschein solcher Stellungnahmen erwecken, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in jedem Fall unzulässig.

 

 

Mangels Befassungskompetenz ist der Gemeinderat zur Vermeidung rechtswidrigen Handelns aber verpflichtet, einen von der Verbandskompetenz nicht gedeckten Tagesordnungspunkt nach Eröffnung der Gemeinderatssitzung von der Tagesordnung abzusetzen.

 

Das bedeutet, dass die Resolution, die den Charakter einer allgemeinpolitischen Stellungnahme oder Aufforderung hat, zwar zwingend auf die Tagesordnung zu nehmen ist. Eine inhaltliche Befassung oder gar ein Beschluss hierüber wäre aber rechtswidrig.

Dieses rechtlich zwingende Ergebnis ist unbefriedigend. Ich appelliere trotzdem an die Stadtvertreterinnen und Stadtvertreter rechtskonform zu handeln und den Tagesordnungspunkt mit dem Einzelantrag von Herrn Ralf Milbredt von der Tagesordnung zu nehmen. Im Anschluss an die Sitzung der Stadtvertretung besteht aber die Möglichkeit für jeden Stadtvertreter seine Unterschrift unter die vorbereitete Resolution zu setzen, so dass diese dann von Herrn Milbredt an den Adressaten gesandt werden kann.

Soweit ein Tagesordnungspunkt abgesetzt werden soll, der auf Antrag eines Stadtvertreters auf die Tagesordnung genommen worden ist, ist dem Antragsteller vor Absetzung von der Tagesordnung die Möglichkeit einer Stellungnahme zum Antrag einzuräumen.

Eine inhaltliche Befassung zur Sache selbst ist damit nicht verbunden. Es geht allein um die Frage, ob es sich zwar um eine überörtliche Angelegenheit handelt, ihr aber ein spezifischer Ortsbezug zukommt weil sie gerade und in besonderer, also sich von anderen Gemeinden unterscheidender Weise auf die Stadt Neustrelitz auswirkt.

 

 

 

Herr Milbredt bekommt die Möglichkeit Stellung dazu zu nehmen, was durch ihn auch in Anspruch genommen wird, er führt dazu folgendes aus:

„Der Wortlaut der Neustrelitzer Resolution für Frieden stand ihnen zur Verfügung. Unter TOP 17 wird er dann zur Abstimmung vorgestellt. Mir geht es jetzt zum einen um die Rechtfertigung des Antrags als solchen und des Weiteren um die Begründung der Resolution im Allgemeinen.

Dass die Resolution jetzt auf der Tagesordnung steht, ermöglicht uns der§ 29/ Absatz 1 der Kommunalverfassung M-V. Jetzt befinden wir uns in der Phase, entscheiden zu müssen, ob mein Einzelantrag TOP 18 bleibt, oder durch Mehrheitsbeschluss der Stadtvertreterinnen und Stadtvertreter abgesetzt wird. Zuvor muss dem Antragsteller ausreichend Gelegenheit gegeben werden, seinen Antrag zu begründen. Diese Chance werde ich jetzt wahrnehmen. Meine kurze Argumentation wird mit treffenden Beispielen versuchen, sie zu überzeugen, den Antrag zu befürworten. Ich behaupte, dass es möglich sein muss, eine Neustrelitzer Resolution für Frieden, aus der Stadtvertretung heraus an die Bundesregierung richten zu können. Ich werde nun das WARUM beantworten:

Politisches Prinzip einer Demokratie ist es, dem Volk durch freie Wahlen die Teilhabe an der Machtausübung im Staat zu garantieren, somit auch in der Gemeinde. Als von den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Neustrelitz gewählte Gemeindevertreter nutzen wir unser Stadtparlament, unsere politische Versammlung, um eine Resolution einzubringen, in der begründete Forderungen an die Bundesregierung gestellt werden. Wir als ehrenamtliche Gemeindevertreter werden mit den Ängsten und Sorgen großer Teile der Bevölkerung konfrontiert. Auch wir sind unzufrieden mit den negativen gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Staat. Die Resolution benennt einige und zeigt auf, dass dadurch meine ehrenamtliche Tätigkeit als Stadtvertreter im starken Maße beeinträchtigt wird. Die ständig wachsende Kriegsgefahr lässt unser soziales Engagement als perspektivisch völlig sinnlos erscheinen. Ausgangspunkt für das Erstellen dieser Resolution an die Bundesregierung war die Aussage der Außenministerin Annalena Baerbock bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg, als sie sagte: ,,Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander" und die damit verbundene Angst, dass Krieg auf deutschem Boden nicht mehr auszuschließen ist. Das Vertrauen in die deutsche Außenpolitik ging somit verloren.

Täglich erreichen uns Meldungen über Waffenlieferungen mit deutscher Beteiligung an die Ukraine. Diese Rüstungsexporte sollen es der Ukraine letztendlich ermöglichen, Russland in einem konventionellen Krieg zu besiegen. Das funktioniert so nicht. Uns muss klar sein, dass folgendes passieren kann. Die nukleare Katastrohe, denn die voraussichtlich in einem konventionellen Krieg unterlegene Macht Russland wird, da sie über Atomwaffen verfügt, nicht zögern, diese auch einzusetzen. Folglich wären dann auch wir als Gemeinde einer lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt. Das müssen wir verhindern, da der Kampf für Frieden nach meinem Verständnis durchaus zu einer ANGELEGENHEIT DER ÖRTLICHEN GEMEINSCHAFT gehört!

Bundespolitik und Kommunalpolitik sind im Kampf um Frieden nicht voneinander zu trennen. Die politisch Verantwortlichen müssen endlich handeln. Wir als Neustrelitzer Stadtvertretung fordern sie dazu auf.

  1. Deutschland intensiviert zusammen mit anderen Staaten der Nato seine Bemühungen, um einen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland zu erreichen.
  2. Deutschland nimmt eine führende Rolle unter den Staaten ein, die Friedensverhandlungen zwischen den Kriegsgegnern koordinieren, um somit Frieden in der Region zu erzielen.
  3. Als Ergebnis erfolgreicher Gespräche mit den kriegsführenden Parteien stoppt Deutschland dann mit sofortiger Wirkung die Ausfuhr von Rüstungsgütern in die Ukraine.
  4. Um wieder weltweit normale wirtschaftliche Beziehungen mit unseren Handelspartnern entstehen zu lassen, werden bei Einhaltung der Vereinbarungen die Sanktionen gegen Russland schrittweise zurückgenommen.

Übrigens, heutiger Artikel im Nordkurier: Russland teilt mit USA keine Atomwaffen-Daten mehr. Auch über Raketentests werde nicht mehr informiert. Danke.“

 

Herr Herrmann stellt einen Antrag zur Geschäftsordnung. Aufgrund der Brisanz dieses Themas beantragt die AfD-Fraktion namentliche Abstimmung.

 

Herr von der Wense stellt die Tagesordnung ohne TOP 17 zur Abstimmung, die namentlich erfolgt.

 

Abstimmung: 9 Ja-Stimmen, 11 Gegenstimmen, 3 Enthaltungen

 

Somit bleibt TOP 17 auf der heutigen Tagesordnung.